Klarheit für unklare Richtlinie
Angesichts der Zunahme von Pressemitteilungen und der Professionalisierung von Presseabteilungen, die immer mehr mediengerechte Mitteilungen hervorbringen, gewinnt die Richtlinie 1.3 im Presskodex an Bedeutung. Deshalb empfehlen sich für ihre gegenwärtige Fassung Ergänzungen, welche ihrer Bedeutung gerecht werden und die Anforderung an die Redaktionen konkreter beschreiben.
Die Richtlinie 1.3 im Pressekodex lautet:
„Pressemitteilungen müssen als solche gekennzeichnet werden, wenn sie ohne Bearbeitung durch die Redaktion veröffentlicht werden.“
Eine Ergänzung ist gerade deshalb notwendig, weil in der Richtlinie unerklärt bleibt, was mit „Bearbeitung“ gemeint ist. Aus dieser Unklarheit könnte sich ein unerwünschter Umgehungstatbestand entwickeln, den auch die Richtlinie 2 (Sorgfaltspflicht) nicht konkret erfasst. Bei der Vereinigung der Medien-Ombudsleute (VDMO) hat man den Eindruck gewonnen, dass ein solcher Umgehungstatbestand in der Praxis bereits sichtbar geworden ist. Das heißt, in Artikeln aus bearbeiteten Pressemitteilungen blieb nicht mehr für jede Information erkennbar, aus welcher Quelle sie entnommen ist. Hier das Beispiel einer unzureichend bearbeiteten Pressemitteilung.
Weil der Presserat auf entsprechende Nachfrage erkennen ließ, dass er keine Notwendigkeit der Nachbesserung für die Richtlinie 1.3 sieht, haben sich die Initiative Qualität im Journalismus (IQ) und die Vereinigung der Medien-Ombudsleute (VDMO) entschlossen, selbst eine ergänzende Leitlinie zu schaffen.
In der Antwort eines Referenten aus dem Presserat zu einer entsprechenden Anfrage zur Richtlinie 1.3 heißt es wörtlich:
„Das Kennzeichnungsgebot aus Richtlinie 1.3 wird unsererseits recht eng ausgelegt. Artikel sind demnach als schlichte Wiedergaben von Pressemitteilungen gemäß Richtlinie 1.3 als solche zu kennzeichnen, sofern keinerlei inhaltliche Bearbeitungen durch die Redaktion stattfinden, es also bei lediglich Fehlerkorrekturen, ggf. leichten Kürzungen bleibt.
Sofern eine Redaktion angibt, eine Pressemitteilung stärker bearbeitet zu haben, gebietet es die journalistische Sorgfaltspflicht aus Ziffer 2 dennoch, die Quelle der Informationen entsprechend deutlich zu benennen, und zwar so, dass für die Leser deutlich wird, welche Inhalte aus der Pressemitteilung stammen (und selbstverständlich auch, wer der Verfasser der Pressemitteilung ist, sofern dies nicht aus dem Zusammenhang deutlich wird) und welche ggf. von der Redaktion recherchiert und ergänzt wurden.
Das Gebot zur Quellenklarheit besteht also presseethisch in jedem Fall, je nach Bearbeitungsgrad der Pressemitteilung entweder als umfängliche Kennzeichnungspflicht aus Richtlinie 1.3 oder aber im Rahmen der Verpflichtung zur wahrheitsgetreuen Wiedergabe von Informationen – zu der die Quelle der Informationen regelmäßig gehört – gemäß Ziffer 2.
Sofern die Redaktion auf die Quellenangabe verzichtet und bei Lesern so der Eindruck einer redaktionellen Information entsteht, muss sich die Redaktion ggf. zudem am entstandenen Eindruck einer redaktionellen Tatsachenbehauptung messen lassen.“ - Soweit der Presserat.
Nun kann man die berechtigte Meinung vertreten, dass sich für ausgebildete Journalisten keine Zweifel ergeben sollten, was nur unter „Bearbeitung“ verstanden werden kann. Allerdings meine ich, dass der Pressekodex nicht nur für Journalisten geschaffen sein darf, sondern auch für Nutzer*innen von Medien nachvollziehbare Erklärungen liefern muss. Auch die sollen zur Kontrolle des Journalismus beitragen können. Die Klarheit des Kodex ist somit auch ein Signal der Bereitschaft zur Selbstkontrolle, für die der Presserat steht.
Weil jene Klarheit, die in der Antwort aus dem Presserat deutlich wird, in der Richtlinie 1.3 nicht erkennbar wird, mache ich folgende Vorschläge für die Arbeitsgruppe zu
1.3. „Pressemitteilungen müssen als solche gekennzeichnet werden, wenn sie ohne Bearbeitung durch die Redaktion veröffentlicht werden.“
1.3.a. Als Bearbeitung, welche die Kennzeichnung als Pressemitteilung (PM) überflüssig macht, kann nur die eigene Recherche der Redaktion gelten, die dabei alle Informationen aus der Mitteilung überprüft hat und diese somit als Nachricht übernimmt.
b. Nach redaktionellen Bearbeitungen, welche nur den Text der Pressemitteilung neu ordnen, kürzen und/oder sprachlich umgestalten, muss die PM in allen Teilen des Beitrages als Quelle der verbreiteten Information erkennbar bleiben. Wenn nur eine oder zwei von mehr Informationen auf die PM zurückgeführt werden, ist das unzureichend.
c. Wenn die Quelle der PM weitgehend unbekannt und ihre Zuordnung unklar ist, sollten auch Quelle und/oder Autor*in der PM redaktionell eingeordnet werden.
Praktische Hinweise:
Wird eine Pressemitteilung komplett übernommen, kann das auch mit einer Überschriftenzeile geschehen, welche diese komplette Übernahme anzeigt.
Sind Informationen des Beitrages der Pressemitteilung entnommen, kann das ...
... einführend für den gesamten Text erklärt werden
... durch wiederholten Verweis auf die Quelle geschehen(z. B. „nach Angaben der Firma xy/ des yx-Vereins…“// „erklärt in einer Pressemitteilung…“// weiter heißt es in der Mitteilung)
Wird die Pressemitteilung zum Ausgangspunkt eines redaktionell durch eigene Recherchen/Nachfragen ausgebauten Textes, dann Quellentransparenz nach Kodex-Richtlinie 2 (Sorgfaltspflicht)., v. a. bei Veröffentlichung von Zitaten aus der PM (z.B. „Wie xy bereits mitteilte…“ oder „Hatte in einer Stellungnahme Folgendes veröffentlicht…“)
Die PM wird lediglich als Themenanregung betrachtet für eigene Recherchen, der Ursprungstext spielt ansonsten keine Rolle mehr. Dann entfällt die Kennzeichnungspflicht.
Soweit erste Vorschläge, die bislang für eine Leitlinie zur Pressekodex Richtlinie 1.3 unter anderem von der Sprecherin der IQ, Ulrike Kaiser, eingebracht worden sind.
Denkbar ist aber auch eine sehr einfache Lösung: Den unerklärten Nebensatz einfach weglassen. Dann würde die Kodex-Richtlinie lauten:
„Veröffentlichungen von Pressemitteilungen müssen als solche gekennzeichnet werden“
Wir werden an dieser Stelle über das Ergebnis aus der Arbeitsgruppe berichten. Für Anregungen sind wir dankbar.