#VDMO
Vereinigung der Medien-Ombudsleute
, Kerstin Dolde

Eine Grenze, die wichtig ist

Warum Interviewte nicht Mitglieder der eigenen Redaktion sein dürfen.

Wenn junge Leute erstmals in einer Lokalredaktion schnuppern, dann werden diese Praktikantinnen und Praktikanten auch gerne mal auf die Straße geschickt, wo sie Leute zu aktuellen Themen befragen sollen. Normalerweise werden sie vorher instruiert, wer befragt werden kann und wer nicht: So dürfen Foto und Statement von Minderjährigen nur nach Rücksprache mit den Erziehungsberechtigten gedruckt werden. Gar nicht befragt werden sollten alle, „die zum Haus gehören“, also Mitglieder der Redaktion oder des Verlages. Das schickt sich nicht, es würde der nötige Abstand zum Thema fehlen und das wäre eine Grenzüberschreitung, die nicht zulässig ist.

Eine solche Grenze hat jüngst der WDR überschritten und steht deshalb zu Recht in der Kritik. Der Fernsehsender hatte in einem Videobeitrag in der „Tagesschau“ und in den „Tagesthemen“ über eine Preisaktion des Lebensmittel-Discounters Penny berichtet und als „Kundin“ eine junge Frau zu Wort kommen lassen, die für den WDR arbeitet. „Die mit ihr gezeigte Sequenz hätte so nicht gesendet werden dürfen“, betonte nun der Chefredakteur Aktuelles im WDR, Stefan Brandenburg und entschuldigte sich. „Kolleginnen oder Kollegen zu interviewen, entspricht nicht unseren journalistischen Standards.“

Mag sein, dass das Redaktionsteam die interviewte Kollegin wirklich nicht kannte. Logisch erscheint das nicht. Brandenburg sprach jedenfalls von einem Fehler, der passiert sei, aber betonte auf Twitter (jetzt X), dass der O-Ton auf einem Zufall beruhe und keine Absicht sei. Der WDR sieht sich indes weiterhin mit Vorwürfen konfrontiert.

Für viele Kritiker bleibt ein mulmiges Gefühl und der Verdacht wird laut, eine mehr oder minder vermeintliche Kundin hätte halt erklären müssen, dass sie die Aktion eines Discounters toll finde. Beweise dafür gibt es nicht, doch die Diskussion wirft am Ende ein schlechtes Licht selbst auch auf das ARD Flaggschiff „Tagesschau“. So erklärte die nordrhein-westfälische CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler etwa in der „Bild“, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk klar trennen müsse zwischen Ideologie und Journalismus. WDR-Chef Aktuelles Brandenburg wehrte sich laut Agentur epd gegen den Vorwurf . „Wir haben über ‚Wahre Preise’ ausgewogen kritisch und distanziert berichtet. Das Versehen tut uns leid.“

Das Vertrauen ihrer Leser, Hörer, Zuseher ist die Basis jeden journalistischen Handelns und Arbeitens. Wer für Qualitätsjournalismus zahlt, darf sich nicht veräppelt fühlen. Fehler sind deshalb transparent offen zu legen und natürlich aufzuarbeiten. Mit einem Achselzucken allein ist das nicht getan.