#VDMO
Vereinigung der Medien-Ombudsleute
, Anton Sahlender

Positive Überraschung unter Medien-Ombudsleuten: Leseranwalt per Anzeige gesucht

Das Pressehaus Nürnberg entzündet ein Licht für Glaubwürdigkeit: Warum es mehr als eine moralische Verpflichtung darstellt, den Umgang mit einem Grundrecht transparent zu erklären.

Das ist für Medien-Ombudsleute große und zugleich positive Überraschung, eine wie sie unserer Gattung lange nicht bereitet wurde: Die Nürnberger Presse sucht im Oktober 2022 per Stellenanzeige eine Leseranwältin oder einen Leseranwalt. Zwar gab es schon immer Redaktionen, die eine solche Medien-Ombudsstelle eingerichtet haben, doch nie zuvor habe ich hierzulande eine solche öffentliche Suche wahrgenommen. In anderen Fällen wurden intern Mitarbeiter angesprochen oder Persönlichkeiten aus der Branche, die man für geeignet hielt. Das erscheint naheliegend, weil man damit die Chance verbinden kann, jemand zu finden, die/der erkennbar mit ausreichend Kenntnissen und Erfahrungen ausgestattet ist. Ist es doch eine besondere und noch viel zu seltene Rolle, die da zwischen dem Publikum und der Redaktion übernommen werden soll. Ja, die Anzeige aus Nürnberg, die veranlasst mich dazu, darauf spontan zu reagieren.

 

Empfehlung an alle Medienhäuser

An dieser Stelle füge ich gerne gleich ein Forschungsergebnis der Universität Leipzig ein: Mehr 85 Prozent von deutlich über einhundert digital und anonym befragten Journalisten aus Redaktionen, bei denen Ombudsleute beschäftigt sind, würden anderen Medien-Häusern ebenfalls eine solche Einrichtung empfehlen. Quelle: Universität Leipzig
Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Lehr- und Forschungsbereich Journalismus.

Mit der Entscheidung zu dieser Stellenanzeige, die mit den darin aufgezählten Kriterien gut für sich und für die Intentionen der Verantwortlichen des Nürnberger Pressehauses sprechen kann, verbinde ich einen besonderen Erfolg. Das zu inserieren ist mutig und wohl mit dem Glauben verbunden, dass sich in der Branche geeignete Kandidatinnen und Kandidaten finden. In der Entscheidung sehe ich aber noch mehr die grundsätzliche Erkenntnis, dass es mehr als nur eine moralische Verpflichtung dafür geben muss, für redaktionelle Transparenz ein solches eindeutiges Signal zu setzen. Dafür steht übrigens als  Journalistenpreis der MedienSpiegel.

 

Reporter ohne Grenzen: Ein Menschenrecht

Von verantwortlichen Journalisten kann erwartet werden, dass sie bei Bewahrung aller  Rechte, also auch der ihrer Informanten, stets durchschaubar machen, wie sie als Sachwalter mit dem Grundrecht der Pressefreiheit umgehen. Die Reporter ohne Grenzen unterstreichen, dass es sich dabei um ein Menschenrecht handelt (siehe: reporter-ohne-grenzen.de/themen/pressefreiheit-warum). Gerade weil die Unabhängigkeit der Medien höchsten gesetzlichen Schutz genießt, sollte es keine Redaktionen unterlassen, selbst kritisch auf das eigene Tun zu blicken. Das lässt sich mit dem Angebot einer direkten Ansprechstelle für das Publikum nachvollziehbar nach außen dokumentieren, sichtbar durch deren regelmäßige Veröffentlichungen, durch Kommunikationen oder Mediationen mit Leserinnen und Lesern, Nutzerinnen und Nutzern. Intern werden Ombudsleute im Laufe der Zeit so zu einem Gewissen für die Redaktion.

 

„Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten zu vertreten sowie Informationen und Ideen  mit allen Kommunikationsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“  Artikel 19 der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen (Dezember 1948). „Daher ist die Freiheit zu informieren und informiert zu werden stets auch ein zuverlässiger Gradmesser für die Achtung der universell gültigen Menschenrechte in einem Land.“
(Reporter ohne Grenzen)

 

Unterstützung für den Presserat

Medien-Ombudsleute, Leseranwälte oder Leserobleute sind keine Konkurrenz, sondern unterstützen ausdrücklich den Deutschen Presserat und seinen Kodex, den meist auch ihre Mutterhäuser vertreten. Es ist sogar als positives Zeihen zu bewerten, wenn durch Medien-Ombudsstellen als erster Instanz, der Presserat als Beschwerdestelle weniger in Anspruch genommen werden muss. Das gibt seinen Beschwerdeausschüssen mehr Zeit, hartnäckige Fälle für alle Redaktionen nachvollziehbar zu klären und zu erklären (Siehe auch: presserat.de/ruegen-presse-uebersicht.html#2022). Und die Glaubwürdigkeit des einzelnen Medienhauses wird ohnehin gestärkt, wenn es nicht erst einer Beschwerde beim Presserat und schlimmstenfalls dessen Rüge bedarf, um zu einer Einigung mit dem Publikum oder Betroffenen einer Berichterstattung zu gelangen. Der Fehler, den man selbst bekennt, führt am ehesten zur Besserung.

 

Ein Licht für die Glaubwürdigkeit 

 

Weil es zu den Zielen und Überzeugungen der Vereinigung der Medien-Ombudsleute in Deutschland schon seit 2012 gehört, mehr Medien-Häuser für die Einrichtung von Medien-Ombudstellen zu gewinnen (siehe: https://de.ejo-online.eu/qualitaet-ethik/ombudsleute_interview_sahlender), nehmen wir das Licht, welches da auch die Nürnberger Presse für Glaubwürdigkeit des Journalismus leuchten lassen will, erfreut wahr. Darin liegt nicht nur die Empfehlung an Journalistinnen und Journalisten, sich eine Bewerbung zu überlegen, sondern die an alle Medienhäuser, es den Nürnbergern, gleich zu tun. Die Unterstützung der Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V. versichern wir allen. Auf Wunsch biete ich gerne dazu Beratung oder Vortrag zur Rolle von Ombudsleuten an, sowohl vor Ort als auch online.